Reisebericht Cuba 1990
In der Zeit der deutschen und russischen Wende war Cuba unser Ziel anlässlich des 15-jährigen Bestehens unseres Tauchclubs. Mit einem Bus ging es von Wiesbaden nach Luxemburg, wo wir auf eine Aeroflot-Maschine 6 Stunden warten mussten. Das hat uns schon gereicht. Mit Zwischenstopps in Shannon (Irland) und Gander (Neufundland) kamen wir in Havanna an. Weiter mit einem Bus in den Süden Cubas nach Ciénaga de Zapata, ca. 3 Stunden von Havanna entfernt. Dort befand sich unsere Bungalowanlage Villa Playa Giron, genau in der „Bahia de Cochinos“, der berühmten Schweinebucht. Diese Gegend war seit vielen Jahren dem Tourismus und Tauchsport wegen der gescheiterten amerikanischen Invasion verschlossen geblieben. Wir gehörten zu den ersten, die hier nach über 25 Jahren tauchen durften.
Die Bungalowanlage lag in der Nähe eines Sandstrandes, die Häuser waren kubanisch einfach eingerichtet. Man konnte aber die Einrichtungen des in der Nähe gelegenen Hotels mit benutzen. Der zugesagte Swimmingpool war ohne Wasser, und anfänglich mussten wir uns mit den anwesenden „Ostblock-Touristen“ um das Essen schlagen. Der Kampf um die herein gebrachten Bananen wurde zu einem Abenteuer erster Güte, ehe die Serviererin sich versah, war das Tablett von heran stürmenden Russen leer gefegt. Die „Vollpension“ wurde zum Problem, das Essen immer schlechter und weniger, da wir beobachten konnten, wie das Personal heimlich Essen an Angehörige oder Freunde weitergab, die sich versteckt am Hotel aufhielten.
Nach massiven Beschwerden wegen des immer noch miserablen Essens, bei denen sich immer noch die Russen und anderen Ostblockfans um die Bananen schlugen, wurde festgestellt, dass wir „Westdeutsche“ sind: Sofort wurde uns ein kostenloses Essen vor dem Restaurant „Los Cocos“ mit Musikbegleitung serviert. Von da ab konnten wir uns nicht mehr beklagen: Uns wurde ein eigener Barmixer, Bedienung und Koch zugeteilt. Zum ersten Mal gab es Fisch auf Bestellung zum Abendessen und zum Nachtisch eine Obsttorte! Und am letzten Abend gab es F 5 (F= Fidel Castro), ein Idee von Nicki, ein besonderes Steak.
Tauchen mit Booten war verboten (wegen Fluchtgefahr, nach Florida zu verschwinden). So fuhren wir täglich mit einem ausrangierten Schulbus zu den Tauchrevieren. Unsere jungen Tauchguides stellten sich als hervorragende Taucher auch ohne Flasche dar, begleiteten sie uns doch bis zu 5 Minuten unter Wasser ohne Flasche, tauchten manchmal bis zu 20 Meter tief, um uns kurz ein OK-Zeichen zu geben. Eines der Tauchgebiete lag bei „Los Cocos“, wo wir in den nächsten Tagen mehrer Tauchgänge vom Ufer aus durchführten. Wegen der bis dahin gesperrten Schweinebucht fanden wir unberührte Korallenriffe vor, Riesengorgonien, Schwämme verschiedenster Art, ca. 40 Korallenarten soll es hier geben, so auch die Hirschkoralle und die selten gewordene Schwarze Koralle.
Trotz aller Fliegen und Mücken zum Trotz wurden unsere abendlichen Treffen auf unseren Terrassen zum großen Spaßfaktor.
Unser erstes Ausflugziel mit Bus was Guamà. Der Busfahrer hieß Roberto Blanco! Nicht nur deswegen gab es viel zu lachen, denn in den nächsten Tagen erlebten wir eine Reifenpanne nach der anderen. Roberto Blanco wurde ein viel beschäftigter Reisebegleiter. In der Zwischenzeit konnten wir die eine oder andere Unterwasserhöhle oder Binnensee besichtigen.
„La Boca Guamà“ ist ein weitläufiges Gelände mit vielen Wasserkanälen, die mit schnellen Booten durchquert werden. Das Indianerdorf wurde im alten Stil als Pfahldorf rekonstruiert und 1960 angelegt, um über den Tourismus die Wirtschaft in dieser von jeher vernachlässigten Region anzukurbeln. Geholfen hat es nicht viel dank F 1 (Abkürzung für Fidel Castro). F 1 sind auch die besten Kühe auf Cuba!
Mit den Booten überquerten wir auch den „Laguna des Tesoro“, einen der größten natürlichen Seen Kubas. Die Legende besagt, dass der Indianerhäuptling Guamà, bevor er seine Untertanen ins letzte Gefecht gegen die Spanier führte, die Goldschätze seines Volkes im See versenkte. Seither heißt dieser See „Schatzsee“. Besichtigt wurde auch eine Krokodilfarm, auch durfte ein Kroko-Steak im „La Boca“ vernichtet werden.
Nicki, unsere deutsch sprechende Reisebegleiterin, wurde „fester Bestandteil“ unserer Gruppe. Sie wurde von uns gehegt und gepflegt und verwöhnt. Und das führte auch zu Konsequenzen, die wir noch nicht erahnen konnten.*
Eine weitere Tour führte uns in Richtung Trinidad über Cienfuegos, natürlich mit Reifenpanne, um in Cayo Blanco endlich mal eine Bootstour unternehmen zu können, was jedoch nur über eine Kontrollstelle der Polizei ging, die das Auslaufen der Boote registrierte. Die Stimmung war trotzdem riesig, weil es an Bord eine „abgespeckte“ Form des „Mojitos“ gab, und auch Nicki ihren Freund an Bord hatte.
Im Hotel „Ancon“ in Trinidad konnten wir uns duschen und das Mittagessen einnehmen: Lobster pur inkl. Musikbegleitung!
Trinidad offenbarte uns schöne alte Kolonialhäuser, den „Plaza Mayor“, den viele für den schönsten Platz in Cuba halten. Im „Museo Romantico“ sind Möbel aus den Zeiten der großen Pflanzerdynastien zu sehen, auch ein Humboldt-Museum kann besichtigt werden. Die Große Pfarrkirche sowie die „Iglesia de la Papa“ kann man nicht verfehlen. Wir besuchen ein „Lebensmittelgeschäft“, das nichts hat (wie in der DDR) und nehmen zur Kenntnis, dass es Lebensmittelkarten gibt, selbst für die Rationierung von Zucker! Im „La Chanchan Chara“ schlürfen wir das gleichnamige Getränk: Rum mit Honig und Limonensaft, und haben noch keine Ahnung, dass dies ein Vorläufer des Capirinhas ist, der zum Kultdrink wurde.
Nicki hatte mal wider eine Idee: eine Geburtstagstorte für mich mit der Aufschrift „Felicidade“. Mit dem Rest der Torte verschwand des Personal. Auf unserer Terrasse wurde weitergefeiert und Mike überreichte mir im Namen der Mitglieder eine kubanische Machete, die heute noch in meinem Arbeitszimmer hängt.
Da es nach wie vor für Kubaner verboten ist, die Insel zu verlassen, wir aber darauf bestanden, dass Nicki uns auf dem Flug von Varadero nach Cayo Largo begleitet, konnten wir tatsächlich durchsetzen, dass Nicki bei uns blieb und sie so zum ersten Mal in ihrem Leben das Festland Cuba verlassen durfte! Was für ein Glücksgefühl. Im Flugzeug saß natürlich ein „Sheriff“. Nach 35 Minuten war Cayo Largo erreicht, ein Traumziel mit 25 km langen Traumstränden mit weißem „Pulver“-Sand. Im Hotel „Villa Coral“ erwarteten uns zum Empfang hunderte Schwärme von Mücken, so dass Johannes gleich sein Koffer wegwarf und sich mit einem riesigen Satz in den Swimmingpool rettete.
Auf einem vor Rost strotzenden „Tauchschiff“ konnten wir zum ersten Mal vom Boot aus am Außenriff von Playa Sirena tauchen, unter Aufsicht eines fetten Tauchguides, der uns bereits nach 30 Minuten unter Wasser klarmachte, dass nun der Tauchgang beendet sei. Bei den rostigen Tauchflaschen war das wohl keine schlechte Entscheidung! Aber auch das kann ein Mitglied des Tauchclubs nicht erschüttern.
Tags darauf war der Besuch der Leguan-Insel angesagt, die Bewohner empfingen uns bereits am Steg. Leguane über Leguane, und alle schienen hungrig zu sein. Abends feierten wir im Hotel „Isla des Sur“ unseren Abschied von Cayo Largo, um am nächsten Morgen mit unserem „Privatjet“ (wir waren die einzigen Fluggäste), einer YAK 40, nach Varadero zurück zu fliegen. (Ca. 4 Wochen später haben wir in den Nachrichten erfahren, dass diese Maschine auf dem gleichen Flug abgestürzt ist).
Und Tauchertaufen durften nicht fehlen, je nach Brevet und Anzahl der Tauchgänge. Auch Roberto Blanco und die Tauchguides, Nicki und ihr Freund waren erschienen. Roberto Blanco bekommt zum Abschied ein paar echte Havanna-Zigarren „verpasst“.
Havanna: Wir kommen! (Mit eigenem Volvo-Bus inkl. Klimaanlage). „Forteleza de San Carlos de la Cabana“ (Festungunslanlage aus dem 16. Jahrhundert, heute Militärakademie), Christusstatue, Wetterstation, das Dorf Casablanca, das wir mit dem Boot anfahren, „Castillo des la Fuerza Real“, genannt La Fuerza (eine der ältesten Befestigungsanlagen der Spanier in der Neuen Welt, nach 20-jähriger Bauzeit wurde sie 1577 fertig gestellt und bis 1762 von den Generalgouverneuren als Residenz benutzt, heute Nationalbibliothek), El Templete (kleiner Tempel, wo am 25. Juli 1519 die Gründungsmesse gelesen wurde), Denkmal für Carlos Manuel des Céspedes (Initiator des ersten kubanischen Unabhängigkeitskrieges), „Palacio de los Capitanos Generales“ (heute Stadtmuseum), die Glocken neben dem Eingang zum „Gouverneurspalast“ stammen von den Wachtürmen großer Zuckerplantagen, und im Innern ein Denkmal für Christoph Kolumbus. Und auch das ist kubanische „Geschichte“: Der Straßenbelag vor dem Gouverneurspalast besteht aus Holz, damit die Gouverneure durch Straßenlärm nicht gestört werden sollten!
Hemingways Haus, die vielen Apotheken, die Kathedrale, die nach 40-jähriger Bauzeit, teilweise wegen Geldmangels, erst 1788 eingeweiht werden konnten und der Platz davor prägen ebenfalls das Stadtbild. Und natürlich durfte „La Bodequita des Medio“, kurz „La B del M“, die Stammkneipe Hemingways nicht ausgelassen werden. Hier trank er seine allabendlichen Mojitos. Natürlich weiß jedes Mitglied im Tauchclub, wie er angerichtet wird: 5 cl weißer Rum, 3 cl Limettensaft, 2 BL weißer Rohrzucker, 6 cl Soda, 2 St. Minzstängel. In ein Becherglas etwas Sodawasser, den Limettensaft, den Zucker und die Minzstängel geben. Crushed Ice und den weißen Rum dazugeben, mit Sodawasser auffüllen und kurz rühren. Klare Sache! Ohne diese Kenntnisse wird bei uns nicht einmal Bronze vergeben! Im La B del M ist auch Hemingways Lebensphilosophie zu lesen: My mojito in La Bodequita. My daiquiri in El Floridita (Dez. 1934). Diesen besonders gut gemixten Daiquri im Innenhof von „El Floridita“ verewigte er im Roman „Inseln im Strom“, der Drink wird daher auch „Papa Hemingway“ genannt. Auch Salvador Allende hinterließ einen Spruch: „Viva Cuba libre – Chile espera!“ (Es lebe das freie Cuba – Chile wartet!)
Im Hotel „Deauville“ an Havannas Uferstraße Avenue de Maceo warteten wir abends auf unseren Bus für den Besuch der Tropicana-Show. Ein Jahr zuvor feierte das „Tropicana“ sein 50-jähriges Jubiläum. Alles noch ein bisschen angestaubt und mit reparierten Strumpfhosen, aber ein Muss für jeden Havanna-Besucher.
Und ein Muss für Jeden Touristen und Taucher: die Rückkehr in die Heimat. Zusammen mit Chilenen wurde im Flugzeug zünftig gefeiert, waren wir doch wieder einmal die einzigen an Bord.
P.S.: Nicki konnten wir zu Ihrer Hochzeit einkleiden und alle Geschenke inkl. Hochzeitskleid in Cuba übergeben. Um Cuba verlassen zu dürfen, musste sie sich später von Ihrem Mann scheiden lassen! Sie durfte nach Venezuela ausreisen und lebt heute in Kalifornien. Wie das möglich war, bleibt ein Geheimnis des Tauchclubs.
Es findet sich immer ein Weg, auch noch heute, um von Cuba in die Freiheit zu gelangen!
Jürgen Lüder-Lühr
1. Vorsitzender